Rückblick: Fachtag TagesReha

Reisebegleitung in ein abstinentes Leben

Beim 12. Fachtag der TagesReha der DGD Klinik Hohe Mark wurde am 26. Juni im Frankfurter „Haus am Dom“ eine besonders kritische Phase in der Behandlung von Suchterkrankungen in den Blick genommen: die Zeit nach der Reha. Motto des Tages: „Suchtreha – und dann? Reisebegleitung in ein abstinentes Leben“. Gäste der Veranstaltung waren neben Therapeutinnen und Therapeuten aus dem Großraum Frankfurt auch Selbsthilfegruppen sowie aktuelle und ehemalige Patientinnen und Patienten.

In ihrer Begrüßung wies Anke Berger-Schmitt, Geschäftsführerin der DGD Klinik Hohe Mark, auf die gesellschaftliche Bedeutung des Themas hin. Neben den persönlichen Schicksalen der Betroffenen und ihrer Familien sind Krankheitstage in Folge von Suchterkrankungen ein signifikanter wirtschaftlicher Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Dr. Renate Sterzel, Stadträtin und Mitglied des Magistrats der Stadt Frankfurt, unterstrich in ihrem Grußwort die Wichtigkeit der Arbeit von Einrichtungen der Suchtmedizin und der Selbsthilfegruppen – auch und gerade im Frankfurter Raum.

Durch den Fachtag führte Prof. Markus Steffens, Chefarzt der DGD Klinik Hohe Mark. Er betonte: „Auf dem Weg aus der Abhängigkeit hinein in ein abstinentes Leben ist der Austausch mit anderen Reisenden und Reisebegleitenden – engagierten Menschen aus den verschiedenen Berufs -, Selbsthilfe- und Zugehörigengruppen – enorm wichtig. Denn auf diesem Weg warten starke Herausforderungen, aber auch sehr hilfreiche Ressourcen“.

Dr. Elisabeth Abberger, Oberärztin in der TagesReha der DGD Klinik Hohe Mark, stellte zusammen mit ihrem Team die Arbeit der TagesReha vor. Dabei wurden auch Faktoren beleuchtet, die zu einer langfristigen Abstinenz beitragen und schon in der Sucht-Reha beachtet werden. Dazu zählen etwa ein funktionierendes soziales Netzwerk, körperliche Bewegung, gesunde Ernährung, Tagesstruktur und Stärkung des Selbstwertgefühls. Eine besonders wichtige Rolle spielt auch die Vernetzung mit Selbsthilfegruppen. Die Bedeutung dieser Faktoren unterstrichen auch ehemalige Patienten, die nach einigen Jahren der Abstinenz von ihrer persönlichen Reise in ein suchtfreies Leben in einem Interview berichteten. Zu dem Start dieser Reise gehörte natürlich auch der entscheidende Schritt, sich als Betroffene oder Betroffener überhaupt zu öffnen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Neben der Frankfurter TagesReha der DGD Klinik Hohe Mark wurde beim Fachtag auch die ambulante Reha der Klinik vorgestellt. Die Maßnahmen dieser Reha im Bereich der „Nachsorge“ können berufsbegleitend nach einer Entzugsbehandlung und Suchttherapie stattfinden und laufen in der Regel über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Da das soziale Umfeld von betroffenen Menschen einen so wichtigen Einfluss auf die langfristige Abstinenz hat, werden bei den wöchentlichen therapeutischen Gesprächen auch Angehörige eingebunden.

Es folgte der Fachvortrag von Wolfgang Rosengarten, Referatsleiter Prävention und Suchthilfe im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege. Thema: „KI oder K.O.? Digitale Transformation in der Suchthilfe angesichts von Krisen und Fachkräftemangel“. Rosengarten betrachtete zunächst die Gesamtlage von Suchthilfeeinrichtungen in Deutschland. Vor allem der Fachkräftemangel und die Schließung vieler kleiner Einrichtungen haben hier, so Rosengarten, zu einer äußerst schwierigen Situation geführt. Gibt es Möglichkeiten, die aktuellen Herausforderungen mit Digitalisierung und dem Einsatz von KI anzugehen? Rosengarten zeigte mit Beispielen, welche digitalen Tools bereits erfolgreich eingesetzt werden, etwa Online-Suchtberatungen. Auch komplett KI-gesteuerte erste Kontaktaufnahmen sind inzwischen möglich – mit dem Vorteil, dass hier betroffene Menschen unter Umständen weniger Schamgefühl empfinden. Online-Gespräche seien auch besonders interessant in infrastrukturschwachen Gebieten. Rosengarten schätzt diese Beispiele vielversprechend ein, zumal es sich hier ja noch um die ersten Gehversuche einer neuen Technik handle. An dieser Stelle sei zwar noch viel Aufklärungsarbeit gefragt, aber Berührungsängste seien fehl am Platz. Zum Ausblick Rosengartens gehörte ein Blick auf den „Sucht-Hackathon“, den das Bundeministerium für Gesundheit im Januar 2024 ausgerichtet hat und der wegweisend für den Einsatz für KI im Suchtbereich sei. Die Veranstaltung hatte in Berlin Expertinnen und Experten aus Suchthilfe und KI zusammengebracht, um innovative KI-Einsatzmöglichkeiten zu entwickeln. Rosengarte resümierte: „Wir stehen ganz am Anfang einer Entwicklung, die sich mit atemberaubender Geschwindigkeit vollzieht und der sich niemand entziehen kann“. Er betonte aber auch: „Gerade beim Einsatz von KI gilt wie überall in der Medizin: Kein Medikament ist ohne Nebenwirkungen. Hier muss auch geprüft werden, von welchen KI-Anwendungen wir lieber die Finger lassen.“

Zum Abschluss des Fachtages stand ein noch ein weiteres Thema auf dem Programm: „Sinnsuche in schwierigen Zeiten“. Friedhelm Grund, Leiter der Seelsorge in der DGD Klinik Hohe Mark, richtete den Blick auf die Frage, welchen Beitrag Spiritualität zur langfristigen Abstinenz bei suchtkranken Menschen leisten kann. In der klinischen Seelsorge, die Patientinnen und Patienten freiwillig therapiebegleitend in Anspruch nehmen können, erlebe er immer wieder, dass sich Menschen auch in der Bewältigung von Lebenskrisen nach einem tieferen Sinn sehnen. „Wir sind alle im Leben auf der Suche nach etwas echt Tragfähigem, nach etwas, das wirklich Bestand hat“, so Grund. Eine Zwischenantwort liege oft in den wichtigen menschlichen Beziehungen, die auch von keiner KI ersetzt werden können. Gleichzeitig erlebten wir in menschliche Beziehungen jedoch auch Verletzungen und sie erwiesen sich oft nicht als so tragfähig, wie wir uns das wünschten. „Bei den existenziellen Themen von Sinn, Schuld und Vergebung müssen wir den Blick auf eine höhere Instanz richten“, erklärte Grund. „Loszulassen, von Gott Vergebung zu empfangen und ihn machen zu lassen, das gibt vielen Menschen, auch Patientinnen und Patienten im Suchtbereich, echte Hoffnung“.

Wolfgang Rosengarten, Referatsleiter Prävention und Suchthilfe im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege referierte zum Thema: „KI oder K.O.? Digitale Transformation in der Suchthilfe angesichts von Krisen und Fachkräftemangel“.

Das Team der TagesReha stellt Faktoren vor, die zu einer langfristigen Abstinenz beitragen.

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