Meine Reise in die Psychiatrie

Fünf Tage nach meinem 21. Geburtstag begann meine Reise in die Psychiatrie. Nach langer, schwerer Manie, heftiger Schlaflosigkeit, Halluzinationen (ich habe an der Decke eine Schlange gesehen) und plötzlich auftretenden Suizidgedanken habe ich mich am Morgen des 18.05.2008 dazu entschieden, den Rettungswagen zu rufen. Dieser brachte mich dann auf direktem Weg in die Psychiatrie. Genauer gesagt auf die Akutstation Taunus 1 der DGD Klinik Hohe Mark in Oberursel, da diese im Rahmen der Regionalversorgung für mich zuständig war.

Aufnahme 

Auf der Station angekommen, wurde ich von einer jungen, hübschen Schwester und ihrem Kollegen aufgenommen. Es war etwa um 6 Uhr morgens als ich auf die Station kam, wo friedvolle Stille herrschte. Ich war sehr aggressiv und warf mit meiner Wasserflasche auf das Pflegepersonal. Ich wollte nicht in der Psychiatrie sein und dachte, der Rettungsdienst bringt mich in ein „normales“ Krankenhaus, denn ich war ja nicht „verrückt“. Da ich durch die empathischen Gesprächsversuche des Pflegepersonals nicht anders zu beruhigen war, wurde ich fixiert und erhielt eine Beruhigungsspritze. In der Fixierung kam ich zur Ruhe und hatte das Gefühl, dass ich drei Tage durchgeschlafen hätte. Ich war froh, dass ich endlich wieder schlafen konnte. 

Entlassung gegen ärztlichen Rat 

Als ich dann Ausgang von Station erhielt, war ich überwältigt von der weitläufigen und wunderschönen Parkanlage, in der sich die Klinik befindet. Auch das Pflegepersonal war super nett. Allerdings wollte ich schnell wieder zurück an die Uni, wo ich Wirtschaftswissenshaften im 4. Semester studierte. Nach drei Wochen habe ich mich dann gegen ärztlichen Rat aus der Klinik entlassen lassen. Zu Hause habe ich relativ schnell die Medikamente abgesetzt. Einige Tage später hat mich die Polizei zu Hause abgeholt und mich erneut in die Klinik gebracht, weil ich im manischen Zustand geäußert habe, dass ich mich umbringen möchte. Nachdem ich nicht freiwillig bleiben wollte, wurde ein Richter bestellt, welcher mich für sechs Wochen gegen meinen Willen in der Psychiatrie unterbrachte. 

Erneuter Aufenthalt 

Der Stationsarzt erklärte mir, dass ich an einer Bipolaren Störung leiden würde. Ich erhielt dagegen Medikamente, durch welche ich in kürzester Zeit 17 kg an Gewicht zunahm. Da ich immer Wert auf mein Äußeres legte und jegliche Hoffnung verlor, wollte ich so nicht leben und habe einen Suizidversuch unternommen. Ich habe mich unangemeldet von Station entfernt und mich auf die Gleise gelegt. Als die Bahn eine Notbremsung hinlegte, stand ich auf und warf mich vor einen Transporter, der mich angefahren hat. Die Polizei hat mich dann zurück in die Klinik gebracht. Ich musste ins Überwachungszimmer und erhielt Lorazepam, was meine Stimmung aufhellte. Die Hoffnungslosigkeit schlug so langsam in Euphorie um. 

Die Zeit Zuhause 

Diese legte sich aber sehr schnell wieder und aus meinem manischen Höhenflug wurde eine 3-monatige depressive Phase. Ich habe bei meiner Mutter zu Hause fast dauerhaft geschlafen. Irgendwann wollte ich mich dem nicht mehr hingeben und habe mich im Fitnessstudio angemeldet. Durch den Sport habe ich wieder Lebensenergie entwickelt und habe wieder abgenommen. Ich konnte auch wieder mein Studium fortsetzen und habe einige Nebenjobs angenommen. Schnell habe ich mich mit allen Aktivitäten überfordert und bin erneut in eine Manie gerutscht. Ich habe einen jungen Mann im Internet kennengelernt und bin spontan zu ihm nach Krefeld gezogen. Dort habe ich mich mit meinem Partner oft nicht verstanden, wir hatten häufig Meinungsverschiedenheiten und ich bin erneut in der Psychiatrie gelandet. 

Das Leben ist eine Achterbahnfahrt 

Seitdem gab es in meinem Leben immer wieder verschiedene manische Phasen und Mischepisoden. Ich finde es großartig, was für krasse Gedankengänge man in der Manie hat. Man ist fit, wach im Geist und voller Tatendrang, man braucht auch kaum Schlaf. Die Schlaflosigkeit lässt einen aber auch mehr oder weniger „verrückt“ werden. In der Zwischenzeit habe ich in einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen gelebt. So war ich von 2016 – 2023 im Rahmen der Regionalversorgung nicht mehr in der DGD Klinik Hohe Mark. Irgendwann bin ich dann zu meiner Mutter zurückgezogen. Als ich im Sommer 2023 suizidale Gedanken bekam, hat sich meine Mutter Sorgen um mich gemacht und die Polizei gerufen. Diese hat mich dann nach vielen Jahren wieder in die DGD Klinik Hohe Mark gefahren. Hier bin ich sofort wieder von mir bekannten Gesichtern herzlich und mit offenen Armen empfangen worden. Niemand hat mich komisch angesehen oder mich verurteilt, wieder in der Klinik zu sein. Dass hier viele Menschen über so viele Jahre arbeiten, spricht für die Klinik und die Station – den Mitarbeitenden scheint es hier (trotz der manchmal sehr schweren Fälle und/oder Situationen) sehr gut zu gefallen. 

Psychiatrie ist nicht gleich Psychiatrie 

Ich habe in meinem Leben sehr viele verschiedene Psychiatrien kennengelernt. Ich kann daher sagen, dass jede Klinik ziemlich unterschiedlich ist. Von allen Psychiatrien, die ich bisher kennenlernen durfte (und das waren einige!) hat die DGD Klinik Hohe Mark das schönste Gelände und freundlichste Personal. Ich bin daher sehr froh, dass es diese Klinik gibt und dass ich weiß, dass ich in Krisensituationen hier sehr gut aufgehoben bin. Der christliche Hintergrund der Klinik und die verschiedenen Angebote der Seelsorge helfen mir immer sehr dabei, zur Ruhe zu kommen. Dies erscheint mir äußerst wichtig auf meinem Genesungsweg. Das ruhige und wohnliche Milieu auf Station trägt dazu bei, dass ich mich hier sehr wohl fühle. Die vielen Therapieangebote sind klasse. Die Bewegungsangebote sind einmalig. Von Frühsport über Rudern, Körperwahrnehmung bis hin zu Bogenschießen. Fast täglich findet Ergotherapie statt, in der die Kreativität gefördert wird und man handwerklich tätig sein kann. 

Wichtige Erkenntnisse

Ich weiß, dass ich (emotionalen) Stress und Hektik reduzieren/meiden und einen geregelten Tag/Nacht-Rhythmus einhalten muss. Ebenso ist es sinnvoll, auf die Meinungen und Tipps der Ärztinnen und Therapeutinnen zu hören, auch wenn mir das immer etwas schwerfällt. Ich kann die Krankheit nicht besiegen, aber versuchen, mit ihr zu leben. Ich versuche daher, ein möglichst „normales“ Leben zu führen. Trotz der Erkrankung habe ich bisher viele Dinge erreicht. Ich konnte eine Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel mit 1,9 abschließen und bin aktuell als Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde angestellt, bin verlobt und wir planen, demnächst zu heiraten. Ich denke, dass ich daher auch stolz auf mich sein kann. Fazit Ich habe gelernt, dass Rückschläge und Rückfälle zum Leben dazu gehören. Ich bin sehr dankbar, dass ich mich in der DGD Klinik Hohe Mark jedes Mal aufs Neue sehr gut aufgehoben fühle. Auch wenn ich es in manischen Phasen manchmal sage, weiß ich im Innersten, dass die Akutstation kein Gefängnis ist. Klar musste es bei mir aufgrund meiner manischen Episode und den daraus resultierenden Handlungen immer wieder zu Ausgangsregulierungen und Reizabschirmungen kommen, aber das Personal hat diese Maßnahmen immer gut erklärt und somit fielen mir diese Einschränkungen leichter, da ich wohl tief in mir doch wusste, dass die Menschen mir hier helfen wollen. Ich weiß, dass ich in der Manie manchmal ein bisschen anstrengend sein kann, dafür möchte ich mich entschuldigen – aber ich habe mir die Krankheit nicht ausgesucht. Und Sie können mir glauben, ich würde auch lieber ohne Manie leben. 

Esther, ehemalige Patientin 

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